Übergewichtige haben es in unserer Gesellschaft schwer. Eine dicke Frau mit einer Cola - ein No-Go. Kein Wunder, dass sie dick ist, wenn sie nur so süße Getränke trinkt. Diäten enden meist in einem Teufelskreis und haben nur einen Effekt - den Jojo-Effekt. Für zahlreiche Menschen wird Übergewicht sogar zur psychischen Belastung. Das Schlimme, etliche Hausärzte haben kaum Verständnis. Treten Beschwerden auf, die nicht sofort medizinisch eindeutig erklärbar sind, werden diese rasch dem Übergewicht zugeschoben. Man wird zum Ernährungsberater verwiesen oder angehalten seine Ernährung umzustellen und mehr Sport zu treiben. Was aber, wenn die Ursache nicht allein an falschen Essgewohnheiten liegt, sondern tatsächlich eine Krankheit, die auch noch erblich bedingt scheint, der Grund für die Fetteinlagerungen ist?
Das Lipödem ist eine solche Krankheit, die oft nicht erkannt wird und unter der die Betroffenen nicht nur psychisch, sondern auch körperlich leiden. Denn das Lipödem ist neben den typischen Fetteinlagerungen mit Schmerzen und eingeschränkter Bewegungsfähigkeit verbunden, ohne, dass die Patienten etwas dafür können. Trotzdem wird es in vielen Fällen von den Ärzten nicht auf Anhieb diagnostiziert. Typisch ist eine unproportionale Fettverteilung. Das heißt, die Fett- und Wassereinlagerungen finden sich meist an den Ober- oder Unterschenkeln, können aber auch im Hüft- und Gesäßbereich oder an den Armen auftreten. Zudem klagen die Patienten über schwere Beine, Druckschmerzen und neigen verstärkt zu blauen Flecken. Diäten und Sport verbessern das Problem meist nicht. Wenn der Gang zum Arzt auch ohne Erfolg bleibt, lässt sich leicht nachvollziehen, wie das Selbstwertgefühl der Betroffenen leidet. Die Krankheit liegt teilweise in der Familie. Es scheint, eine genetische Disposition bzw. Veranlagung zu geben. Bereits nach der Pubertät können sich erste Symptome zeigen. Bei anderen treten die Anzeichen erst nach einer Schwangerschaft oder in den Wechseljahren auf. Der Blick in den Spiegel, das Shoppen mit Freunden, das alles wird zur Qual.
© RainerSturm / PIXELIOFür die Betroffenen ist ein gutes soziales Umfeld, das Rückhalt bietet, besonders wichtig. Wer bereits in sehr jungen Jahren darunter leidet, hat es besonders schwer. Es kann einen kompletten Rückzug aus der Gesellschaft zur Folge haben, wenn zu viele negative Erlebnisse auf den jungen Menschen einstürmen. Wer seinen Körper nicht akzeptieren kann, hat es schwer in allen anderen Bereichen des täglichen Lebens. Denn dadurch leidet das Selbstwertgefühl enorm. Man wird unsicher und ist ständig darauf fixiert, was die anderen von einem denken. Die Angst ausgelacht und abgelehnt zu werden, kann sogar zu Depressionen oder Persönlichkeitsstörungen führen. Die Betroffenen müssen daher dringend aufgefangen werden. Als Außenstehender ist es leicht zu sagen, dass jemand nicht den Mut verlieren soll und Schönheit nicht alles ist. Wenn der gut gemeinte Rat von jemandem kommt, der vermeintlich keine Makel hat, wirkt dieser wie reiner Zynismus auf die Betroffenen. Ist beispielsweise die Mutter in der Familie ebenfalls erkrankt, kann sie sich nur allzu gut in ihr Kind hineinversetzen. Das muss die Situation nicht unbedingt leichter machen. Der Gedanke, die Krankheit vielleicht an das Kind weitergegeben zu haben, kann Schuldgefühle auslösen. Doch auch bei der Tochter sind paradoxe Reaktionen möglich. In jedem Fall ist es wichtig, sich Unterstützung zu suchen und die Wogen wieder zu glätten. Wut und Verzweiflung sind verständlich, doch nur ein Stadium im Umgang mit der Erkrankung, die bewältigt werden muss. Gemeinsam lässt sich dieses Schicksal besser tragen. Entscheidend ist es zu lernen, den Körper anzunehmen und damit umzugehen. Das ist einfacher, wenn Familie und Freunde ein Netz bilden, das einen immer wieder auffängt, wenn man im Alltag durch ein unangenehmes Erlebnis droht, den Halt zu verlieren. Und auch wenn es oft einer Odyssee gleicht, bis der richtige Arzt gefunden scheint, man sollte sich nicht entmutigen lassen und weiter kämpfen.